Fecha de publicación: 16 de diciembre de 2014
Ökonomen sind seit der Finanzkrise vermehrt Kritik ausgesetzt. Unter anderem wird ihre zentrale Messgrösse, das Bruttoinlandprodukt (BIP), von vielen als zu marktorientiert empfunden. Darauf reagierend publizierte 2011 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Studie mit dem Titel «How is life?», in der sie die wirtschaftliche Entwicklung anhand einer breiten Palette von Indikatoren untersuchte. Das Bundesamt für Statistik (BfS) hat nun eine ähnliche Studie für die Schweiz veröffentlicht.
«Bruttosozialglück»
Hinter dem technokratischen Titel «Indikatorensystem Wohlfahrtsmessung» verbirgt sich eine vielschichtige Untersuchung der Schweizer Lebensqualität. Die Definition von Wohlfahrt wird in der Publikation des BfS bewusst weit gefasst. Sie erinnert damit unweigerlich an das Konzept des «Bruttosozialglücks», das in Bhutan erklärte Maxime des politischen Handelns ist.
Zwar halten die Studienautoren fest, dass der materiellen Situation eine zentrale Rolle bei der Bedürfnisbefriedigung zukommt. Doch sie stellen den klassischen ökonomischen Indikatoren eine Vielzahl weiterer Messgrössen gegenüber. Gewisse Statistiken quantifizieren externe Effekte des Wirtschaftens, wie beispielsweise Informationen zur Lärmbelastung. Indikatoren zur Lebenszufriedenheit sucht man in traditionellen ökonomischen Erhebungen aber vergebens. Darin liegt der Reiz, aber auch die Gefahr der BfS-Studie.
Problematische Subjektivität
Die Erhebung zum «Kulturverhalten» der Bürger zeigt das Problem einer staatlichen Vermessung des Glücks. Durch die Datenerhebung wird implizit eine Aussage zum Lebensglück getroffen. Die Statistiker bestimmen, was als kultiviertes Verhalten gilt und glücklich macht. So werden Museumsbesuche registriert – doch wie steht es um das Glück jener Personen, die am Wochenende lieber ins Stadion gehen? Noch problematischer als die Auswahl der Statistiker ist die implizierte Verschiebung des Politikverständnisses. Statt Freiheit und Rechtsstaatlichkeit wird neu Glückseligkeit verlangt.
Ohne Frage, die Studie des BfS wartet mit interessanten Erkenntnissen auf; sie identifiziert externe Effekte und erlaubt, in gewissen gesellschaftlichen Bereichen zu erkennen, wo der Schuh drückt. Aus der Glücksorientierung ein politisches Program abzuleiten, wäre aber verfehlt. In einer freiheitlichen Gesellschaft soll jeder selber entscheiden, wie er seine Ressourcen verwenden will. Je mehr Einkommen zur Verfügung steht, umso mehr Möglichkeiten stehen offen. Insofern bleibt das vielgescholtene BIP wohl auch weiterhin ein wichtiger Wohlstandsindikator.
Acceso al informe (francés y alemán): http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/fr/index/themen/00/11.html
Fuente: NZZ, 15.12.14