Fecha de publicación: 16 de febrero de 2015
Reduzierte Kontingente
Weltweiter «Krieg um Talente»
Der Bund hat die Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten reduziert. Das scheint den Basler Pharmakonzernen keine Sorgen zu bereiten – solange sie das zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit benötigte hochqualifizierte Personal bekommen.
Am Pharmastandort Schweiz spielt das Personal aus sogenannten Drittstaaten mengenmässig eine untergeordnete Rolle. Nichteinheimische Mitarbeiter, die weder aus der EU noch aus Efta-Ländern stammen, machen heute weniger als 10% der Belegschaft aus. Allerdings zeigt sich, dass ihre Quote im Laufe der Jahre eine deutliche Ausweitung erfahren hat (vgl. Grafik). Eigentlich müsste man somit annehmen, dass der Beschluss des Bundesrats, das Drittstaaten-Kontingent für 2015 zu verringern (vgl. nebenstehenden Artikel), die Firmen beunruhigt. Für Basel-Stadt beispielsweise ist das Maximum der in diesem Jahr zu vergebenden B-Bewilligungen von 73 auf 52 reduziert worden, jenes der Kategorie L für Kurzzeit-Aufenthalte von 104 auf 84.
Überzogene Quote
Bei Novartis und Roche macht man sich ob dieser Restriktion indessen wenig Sorgen, zumal es bis jetzt stets möglich war, die Limiten zu überschreiten. Nach den Angaben von Hansjürg Dolder, Leiter des baselstädtischen Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA), sind vom Kanton in jüngerer Zeit jährlich rund 500 B- und ebenso viele L-Bewilligungen erteilt worden. Der Bedarf, der über die kantonale Quote hinausging, liess sich jeweils durch die vom Bund zur Verfügung gestellten Kontingente abdecken. Bern zeigte sich gegenüber Basel stets kulant, und bei den Pharmafirmen geht man davon aus, dass das so bleibt.
Die Behörden dürften die Gewissheit haben, dass die Konzerne das Drittstaaten-Personal auf das Nötigste beschränken. Sowohl Roche wie Novartis weisen auf die hohen Kosten und Risiken hin, die mit Mitarbeitern aus Übersee verbunden sind. Wenn es eine Fachstelle zu besetzen gibt, durchforsten die Firmen aus eigenem Antrieb zunächst den lokalen Arbeitsmarkt, sehen sich dann in Europa um und starten erst am Schluss eine globale Suche. Wie Bruno Weissen, Leiter der Roche-Personalabteilung in Basel, erklärt, ist es in der Regel mit dem Rekrutieren eines Experten allein nicht getan. Die Fachperson kommt nicht selten mit Familie ins Land, was bedeutet, dass es bei einem Zuzug gleich mehrere Individuen zu integrieren gilt; man muss sich somit nicht nur um Arbeitsplatz und Wohnung kümmern, sondern auch um Sprachkurse und Schulen. Die Anstellung einer Fachkraft aus einem anderen Kontinent und Kulturkreis ist aus diesem Grund nicht nur kostspielig, sondern auch mit der Gefahr verbunden, dass sich der Experte oder sein Anhang in Basel nicht wohl fühlen und das Engagement am Ende scheitert. – All diese Fährnisse gehen die Unternehmen nur ein, wenn zur Besetzung einer Stelle wirklich niemand anders als eine Drittstaaten-Person infrage kommt.
Kader-Rotation
Die in der Ferne rekrutierten Mitarbeiter sind aber nicht der einzige Grund, weshalb am Pharmastandort Schweiz die Drittstaaten-Quote zugenommen hat. Das überseeische Personal ist oft auch Teil eines Rotationssystems, das die Konzerne eingerichtet haben, um den firmeninternen Wissenstransfer zu fördern. Novartis und Roche sind nicht einfach Unternehmen, die den Hauptsitz in der Schweiz haben und Aussenposten im Ausland unterhalten. Die Konzerne haben eine multinationale Präsenz in dem Sinne aufgebaut, dass sie in mehreren Ländern über vergleichbare Standorte verfügen und diese zu einem einheitlichen Ganzen – einer homogenen Firmenkultur – verschmelzen müssen. Die kontinuierliche Migration von Personal von einem Ort zum andern ist Teil dieses Vereinheitlichungsprozesses.
Modellhaft zeigt dies das Campus-Konzept von Novartis, das nicht nur in Basel, sondern auch in East Hanover (New Jersey), in Cambridge (Massachusetts) und in Schanghai umgesetzt worden ist. Der interkontinentale Austausch von Fachkräften und Erfahrungen, sagt Thomas Bösch, Chef der Novartis-Personalabteilung in der Schweiz, sei heute ein nicht mehr wegzudenkender Teil eines auf Innovationen ausgerichteten Geschäftsmodells. Der Prozess fördert zudem die Diversität, die Mischung der Kulturen und Denkweisen, die von den Firmen als wichtige Ingredienz des Forschungs- und Entwicklungsprozesses betrachtet wird.
Mit dem Campus-Konzept, das auch dem Basler Roche-Areal zugrunde liegt, sind Arbeitsstätten geschaffen worden, die als Anziehungspunkt für internationale Spitzenkräfte wirken sollen. Wie Bösch betont, genügt es im weltweiten Vergleich längst nicht mehr, den Standort Schweiz vor allem wegen der hohen Lebensqualität und der Schönheit der Landschaft anzupreisen. Basel muss im externen und internen Wettbewerb Vorzüge punkto Forschung und Entwicklung unter Beweis stellen. Das ist nach Bösch das entscheidende Kriterium, um Spitzenkräfte aus der ganzen Welt ans Rheinknie zu locken.
Der Heimmarkt genügt nicht
Der von Politik und Wirtschaftsverbänden an die Schweizer Unternehmen gerichtete Appell, im Hinblick vor allem auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative das inländische Arbeitskräftepotenzial (Frauen und ältere Arbeitnehmer) stärker zu nutzen, trifft in der Pharmaindustrie auf offene Ohren. An Bemühungen zur Förderung des heimischen Angebots fehlt es nicht. Beide Basler Konzerne betreiben selbstredend Lehrlingsausbildung, und Roche hat in Kaiseraugst im Januar ein neues «Learning Center» eröffnet, in das 86 Mio. Fr. investiert worden sind. Beide Firmen verfügen ausserdem über Frauenförderungsprogramme, dies nicht aus Gründen der politischen Korrektheit, sondern, wie der Roche-Vertreter Weissen erklärt, in der Absicht, das Potenzial der wachsenden Zahl von Frauen mit abgeschlossenem Medizinstudium oder anderen hohen Qualifikationen zu nutzen. Und was schliesslich die älteren Mitarbeiter betrifft, ist festzustellen, dass der Drang zur Frühpensionierung abgenommen hat und die Leute von sich aus länger arbeiten.
All das wird allerdings nicht ausreichen, um den Bedarf der Pharma an Spezialisten abzudecken. Dieser ist nicht nur in der Forschung und Entwicklung gross, sondern auch in der Produktion. Novartis beispielsweise hat unlängst 500 Mio. Fr. aufgewendet, um am Aargauer Standort Stein eine Anlage zur Fabrikation von schwierig herzustellenden Wirkstoffen zu bauen. Stein dient als Plattform, von wo aus die Markt-Lancierung anspruchsvoller Produkte vorgenommen wird. Und zur Betreibung dieses Werks braucht es unter anderem auch hochqualifizierte Prozess-Wissenschafter, die in der Schweiz nicht ohne weiteres zu finden sind.
Wenn es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht, sind die Unternehmen, die sich im internationalen Wettbewerb bewähren müssen, nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Sie haben keine andere Wahl, als sich am sprichwörtlichen «Krieg um die Talente» zu beteiligen. Und wenn die erforderlichen Fachkräfte in der Schweiz einmal nicht mehr verfügbar sind, weil man ihnen aus Gründen der Kontingentierung die Einwanderung verweigert, werden sowohl Roche wie Novartis die Möglichkeit haben, sie an anderen Standorten zu engagieren. Im Rahmen globalisierter Unternehmen mit rotierendem Kader sind die Aktivitäten verschiebbar geworden.
Fuente: NZZ, 11.02.15