La escuela politécnica de Zúrich en contra de la limitación de la inmigración

Fecha de publicación: 2 de junio de 2015

ETH-Bereich und Zuwanderung
«Das wäre das Ende des Systems»
Offenheit und Internationalität gehören für ETH-Ratspräsiden Fritz Schiesser zu den wichtigsten Rahmenbedingungen. Er warnt davor, die Zuwanderungsinitiative im Bildungsbereich strikt umzusetzen.

Herr Schiesser, die ETH in Zürich und in Lausanne wachsen stark. Werden aus den kleinen, ausgezeichneten Hochschulen Universitäten für die Massen?

Dem wird nicht so sein. Wir rechnen für dieses Jahr noch mit einem Wachstum von rund 2,5 Prozent. Nach unseren Annahmen nehmen die Studierendenzahlen danach noch um etwa 1 Prozent zu. Die beiden ETH sind nach wie vor exzellente Schulen, auch wenn sich das Betreuungsverhältnis verändert hat.

Sind alle Studierenden und Doktorierenden an den Schulen optimal betreut?

Dem ist so. Natürlich hat sich das Betreuungsverhältnis wegen des Wachstums verschlechtert. Es liegt heute bei 1 zu 37. Doch das ist immer noch eine Grössenordnung, die hervorragende Studienabschlüsse gewährleistet. Auf Stufe des Doktorats liegt es bei 1 zu 8.

Wo liegt für Sie die Grenze?

Beliebig kann es nicht so weitergehen. Wir haben eine Grössenordnung erreicht, die es zu halten gilt. Deshalb benötigen wir gemäss unserer strategischen Planung für die kommenden fünf Jahre zusätzliche 55 Professuren mit den dazugehörigen Forschungsgruppen. Das dient der Aufrechterhaltung der derzeitigen Betreuungsqualität, aber auch der Erschliessung neuer Forschungsgebiete.

Eine Alternative zur Erhöhung der Bundesgelder für die ETH wären Zugangsbeschränkungen. Was halten Sie davon?

Beschränkungen sind bereits möglich für ausländische Studierende auf der Masterstufe. Antragsteller sind jedoch die beiden ETH, nicht der ETH-Rat. Bisher haben die Schulen davon keinen Gebrauch gemacht.

Und wie sieht es für Inländer aus?

Wir sind häufig mit der Forderung konfrontiert, die ETH müssten Eintrittsprüfungen durchführen. Das wäre aber eine Abwertung der Matura. Sie wäre kein Eintrittsticket mehr. Ich halte das für den falschen Weg.

Die Menge ist das eine, die Qualität der Eintretenden das andere. Müssen Schweizer Maturanden besser werden?

Aus unserer Sicht soll die Matura auch künftig eine hohe Qualität aufweisen und die Studierfähigkeit der Maturanden garantieren. Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren hat dazu Projekte auf den Weg gebracht, die wir begrüssen. Die Studierfähigkeit muss verbessert werden, gerade in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern.

Heute findet die Selektion an den ETH nach einem Jahr statt. Ist diese nicht ungerechter als eine Zutrittsprüfung?

Nein. So erhalten alle Maturanden, egal von welchem Gymnasium, die gleiche Chance, sich an den ETH im ersten Jahr zu beweisen.

Im neuesten Geschäftsbericht schreiben Sie von unsicheren Perspektiven für den Wissens- und Technologiestandort Schweiz. Übertreiben Sie bewusst?

Auf keinen Fall. Die Annahme der Zuwanderungsinitiative hat grosse Unsicherheit ausgelöst. Wir wissen nicht, wie es nach 2016 weitergeht. Die Politik ist hier stark gefordert. Wir werden oft gefragt, ob und wie die Schweiz ab 2017 an internationalen Programmen teilnehmen kann. Das EU-Programm Horizon 2020 hat eine herausragende Bedeutung für den gesamten ETH-Bereich. Und generell gilt: Die wichtigsten Rahmenbedingungen für uns sind Offenheit und Internationalität. Wir brauchen den Zugang zu den besten Köpfen. Unbedeutend ist, welcher Pass dieser Kopf besitzt.

Haben Sie heute ganz konkret Probleme, geeignete Leute zu bekommen?

Interessenten melden, es sei ihnen zur Zeit zu unsicher, in die Schweiz zu kommen, weil sie nicht wissen, was ab 2017 gilt. Es ist ganz klar: Wenn wir Offenheit und Internationalität als Massstab nehmen, gibt es mittlerweile in Europa andere, attraktivere Mitbewerber.

Würde der in der Verfassung stipulierte Inländer-Vorrang auch die ETH und ihre Institutionen treffen?

Eigentlich schon. Aber das wird schlicht und einfach nicht gehen, will der ETH-Bereich für die Schweiz jene volkswirtschaftliche und wissenschaftliche Bedeutung beibehalten, die er heute hat. Wenn die fachliche Qualifikation nicht mehr das entscheidende Kriterium ist, wir also schlechtere Mitbewerber anstellen müssen, wäre es das Ende des Systems.

Was fordern Sie?

Führt die Schweiz ein Kontingentssystem ein, sind die Hochschulen und der Forschungsbereich separat zu betrachten. Wir haben einen hohen Ausländeranteil und wären enorm betroffen. Von unseren rund 20 000 Mitarbeitenden kommen 52 Prozent aus dem Ausland. An unseren hochspezialisierten Forschungsanstalten wie zum Beispiel am Paul-Scherrer-Institut oder an der Empa arbeiten Fachleute aus über 50 Nationen. Mit einem strikten Kontingentssystem müssten wir die Aktivitäten einschränken. Es braucht dringend eine Sonderregelung. Bildung und Forschung dürfen nicht unter die Kontingente fallen.

Der Bund möchte den akademischen Nachwuchs fördern. Es geht darum, dem Mittelbau eine Perspektive und mehr Sicherheit zu geben. Was halten Sie davon?

Die ETH haben entsprechende Massnahmen aus eigener Initiative bereits ergriffen. Wenn nun der Staat eingreift, besteht die Gefahr, dass er Heimatschutz betreibt und einen akademischen Nachwuchs fördert, der nicht konkurrenzfähig ist. Damit ist niemandem gedient. Unsere Schweizer Forscherinnen und Forscher müssen sich im internationalen Umfeld bewähren. Zudem befürchte ich, dass Gelder, die für solche Programme gesprochen werden, beim ETH-Bereich kompensiert werden. Das kommt nicht infrage.

Steuerfinanzierte Bildungseinrichtungen bauen ihre Kooperationen mit der Wirtschaft aus und streben nach Drittmitteln. Ist das der richtige Weg?

Private Drittmittel machen bei uns 8 bis 10 Prozent des Gesamtbudgets aus. Der Anteil ist also relativ klein. Der ETH-Bereich hat von Bundesrat und Parlament den Auftrag, diesen privaten Anteil zu vergrössern. Die Politik hat dies richtigerweise so entschieden. Wichtig ist die Transparenz, gerade bei Sponsoringverträgen. Der ETH-Bereich hat einen gesetzlichen Auftrag zugunsten des gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems der Schweiz. Deshalb sollen auch die Verbindungen zu Privaten und zur Wirtschaft ausgebaut werden.

Garantieren Sie, dass Forschung und Lehre unabhängig von den Sonderinteressen der Wirtschaft bleiben?

Eine Garantie kann niemand geben. Der ETH-Rat kann und will nicht jede Kooperation bis ins kleinste Detail überprüfen. Allein unsere Forschungsanstalten pflegen über tausend Kooperationen mit der Industrie, weltweit und in der Schweiz mit unzähligen KMU. Unsere Institutionen sind autonom, aber die Grundsätze, allen voran die Lehr- und Forschungsfreiheit, sind einzuhalten. Kooperationen sind offenzulegen, wobei es Grenzen hat. Nicht alle Projekte können transparent gemacht werden, da gibt es auch legitime Schutzbedürfnisse. Denn auch die Konkurrenz ist an solchen Informationen sehr interessiert.

Reden Sie die Problematik nicht klein?

Nein. Wichtig ist, dass unsere Institutionen frei sind, mit wem sie kooperieren wollen und worüber. Problematisch wäre, wenn die Politik uns Vorgaben machte, welche Verträge wir eingehen müssen, oder uns vorschriebe, wie hoch der Anteil privater Drittmittel sein muss.

Ein südkoreanisches Modell mit einer engen Verflechtung von Staat, Wirtschaft und Hochschule kommt für Sie aber nicht infrage?

Dieses Modell ist unter ganz anderen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen entstanden. Man kann es nicht übertragen. Wir gehen eigene Wege.

Die Schweiz möchte sogenannte Innovationsparks errichten. Gibt es da nicht problematische Schnittstellen?

Es wäre falsch, für den Innovationspark ein fertiges Modell zu präsentieren. Das muss sich entwickeln. Die ETH Zürich beispielsweise wird nicht einfach Abteilungen nach Dübendorf verschieben und dort auf Firmen warten. Es muss eine Entwicklung sein, durch welche Neues entsteht.

Ohne klare Vereinbarungen wird das aber heikel werden.

Natürlich braucht es klare Abmachungen und Verträge, aber auch Vorstellungen darüber, welches Know-how man beispielsweise aus der Empa bestmöglich mit den Bedürfnissen der Wirtschaft verbinden kann. Schliesslich gehört es zu unseren Aufgaben, die Innovation und den Wissenstransfer zwischen unseren Institutionen und der Wirtschaft zu beschleunigen.

Der Bund ist gehalten, zu sparen. Sie fordern im nächsten Kreditrahmen ein jährliches Wachstum der Mittel von 3,5 Prozent. Ist das nicht eine überzogene Forderung?

Wir sind schon mit grossen Unsicherheiten wegen der Zuwanderungsinitiative konfrontiert. Sollte nun noch eine finanzielle Unsicherheit hinzukommen, gerät der ETH-Bereich in Schwierigkeiten. Unsere Investitionen in Forschungsinfrastrukturen und Personal sind hoch, und wir benötigen zur Aufrechterhaltung der Qualität mehr Personal. Wer Spitzenforschung betreiben will, muss überdies auch technologisch mithalten.

Staatliche Budgets für die Bildung sind kaum in der Kritik. Ist Bildung zur «heiligen Kuh» geworden?

Die Bildung ist keine heilige Kuh. Aber mit Sicherheit gibt die Bildung Milch. Es ist einfach so: Investitionen in die Bildung nützen dem ganzen Land.

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«Wir haben einen hohen Ausländeranteil. Mit dem Kontingentssystem müssten wir die Aktivitäten einschränken.»

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«Die Transparenz beim Sponsoring ist wichtig. Die Verbindungen zu Privaten und Wirtschaft sollen ausgebaut werden.»

Zur Person
msc. ⋅ Fritz Schiesser ist Präsident des ETH-Rats, des strategischen Führungs- und Aufsichtsorgans des ETH-Bereichs. Dazu gehören die ETH Zürich, die EPFL Lausanne sowie vier Forschungsanstalten, darunter das Paul-Scherrer-Institut. Der elfköpfige Rat vertritt den ETH-Bereich gegenüber den Behörden des Bundes und trägt die Verantwortung für die Umsetzung des Leistungsauftrags des Bundesrates und des Bundesparlaments. Der Freisinnige Schiesser vertrat den Kanton Glarus von 1990 bis 2007 in Bern. 2003 war er Ständeratspräsident.

Fuente: NZZ; 02.06.15